(Marl/Essen) Für den 25. Geburtstag des Grimme Online Award sollte es eine besondere Location sein: Heute Abend fand die Preisverleihung des #GOA25 – so der Hashtag in diesem Jahr - erstmals in Essen statt und zwar im Foyer des ehemaligen Musical-Theaters Colosseum. Von 26 nominierten Angeboten konnte sich am Ende acht durchsetzen. Gekürt wurde zudem der Preisträger des Sonderpreises Künstliche Intelligenz sowie die Gewinner des Publikumsvotings. Es war ein Abend mit einem besonderen, sehr politischen „Sound“, der zahlreiche gesellschaftliche Diskurse adressierte.
Eingeleitet wurde die Preisverleihung durch ein Gespräch zwischen Grimme-Geschäftsführerin Çiğdem Uzunoğlu und NRW-Medienminister und Chef der Staatskanzlei Nathanael Liminski - über ihre ersten Online-Erlebnisse, Veränderungen in der Netzpublizistik in den letzten 25 Jahren und natürlich KI. Auch diesmal führte kein Weg an diesem Thema vorbei.
„Unglaublich, wie sehr das Netz in den letzten 25 Jahren unseren Alltag, unsere Kultur und unser Miteinander prägt und permanent verändert,“ so Grimme-Direktorin Çiğdem Uzunoğlu. Weitere Veränderungen durch Künstliche Intelligenz kommen hinzu, die wie eine Revolution wirken. Eben dies spiegelt sich Jahr für Jahr im Preis wider, wobei der Online Award ein besonderes Gespür bewiesen hat: „Die unabhängigen Gremien erkannten frühzeitig die Bedeutung von Bewegtbild im Netz, die Potenziale von Instagram oder auch von TikTok, die Wirkmacht der Netzgemeinde, ebenso die mittlerweile extrem populären Podcasts“, so Uzunoğlu weiter. Nicht zu vergessen: die Renaissance des Newsletters. Im Kern gehe es dabei aber immer um ein Ziel: „Unsere freiheitliche und weltoffene Demokratie zu stärken - auch im Netz - und die guten Seiten dieses wandelbaren Mediums nicht aus den Augen zu verlieren!“
„Herzlichen Glückwunsch zum 25. Grimme Online Award! Seit einem Vierteljahrhundert steht der Preis für Qualität, Kreativität und Innovation im Netz,“ sagte Medienminister Nathanael Liminski. „Der Grimme Online Award zeigt, welches kreative und publizistische Potenzial in digitalen Formaten steckt – für Journalismus, Bildung und Kultur. Gerade in Zeiten von KI und rasanter Veränderung brauchen wir solche Vorbilder, die Haltung und Handwerk verbinden. Nordrhein-Westfalen ist dafür ein starkes Umfeld: ein Land, das Wandel kann – von der Kohle zur KI, von der Tradition zur digitalen Kreativität. In Zeiten, in denen Polarisierung und Radikalisierung zunehmen, ist es umso wichtiger, dass wir Räume für konstruktiven Dialog und gesellschaftliche Debatte bewahren und sichtbar machen.“
Durch den Abend führte erneut die Radio- und TV-Moderatorin Anja Backhaus, Laudationes übernahmen Stephan Anpalagan, André Dietz, Hans-Jochen Wagner, die Juryvorsitzende Sarah Brasack sowie Jurymitglied Jana Ballweber.
Ein Blick auf die ausgezeichneten Formate 2025 zeige dabei, so die Jury in ihrem Bericht: „Nach der Dominanz historischer Themen im vergangenen Jahr gibt es in diesem Jahr ein deutlich gemischteres Feld.“ Im Mittelpunkt standen dabei weniger technologische Neuerungen und Innovationen, sondern eher „kluge Konzepte, gut aufbereitete Themen, die passgenau ausgespielt werden,“ ebenso „umfangreiche Recherchen, übersichtlich vermittelte Informationen und eine ansprechende visuelle Aufbereitung.“
Den Auftakt machte die Kategorie KULTUR & UNTERHALTUNG und setzte mit einem spielerischen Zugang zur deutsch-deutschen Geschichte Akzente in diesem besonderen Jahr. So ging der erste Preis des Abends an „Herbst 89 – Auf den Straßen von Leipzig“. User*innen können hier in verschiedene historische Charaktere schlüpfen und Szenen aus der Endphase der DDR „durchspielen“, ein buchstäblich interaktives Erlebnis. Den nächsten Preis erhielt der Instagram-Kanal „Little Monsters“ (des WDR). Er setzt sich mit dem Trend-Thema mentale Gesundheit auseinander, laut Jury „ein grafisch schön gestalteter und mit psychologischem Fachwissen unterfütterter Raum für Austausch, gegenseitige Unterstützung und Akzeptanz“.
Es mangelt an solchen Räumen, wo Menschen einen respektvollen Austausch pflegen (können), wo sie glaubwürdige Informationen finden und ihre Daten nicht für kommerzielle Zwecke verwertet werden – und das ganz generell. Wer hierüber nachdenkt, landet schnell beim Fediverse, welches hier noch eine Alternative zu den kommerziellen Angeboten US-amerikanischer oder chinesischer Provenienz bietet. Insbesondere der Microblogging-Dienst Mastodon kann an dieser Stelle mit seiner anti-kapitalistischen Plattformlogik als Alternative angesehen werden – und steht als Prototyp für dezentrale Netzwerke überhaupt. Daher wurde der Mastodon-„Erfinder“ Eugen Rochko in diesem Jahr – stellvertretend für das Fediverse – in der Kategorie SPEZIAL ausgezeichnet. Er war nicht vor Ort. Eine weitere Auszeichnung in dieser Kategorie ging an den Instagram-Kanal „Femizide stoppen“. Die Jury lobt: „Lilly und ihr Team machen die Dimension von Morden an Frauen aufgrund ihres Geschlechts sichtbar. Indem sie dieses Problem grundsätzlich betrachten, und nicht nur, wenn die Taten von Ausländern oder Menschen mit Migrationshintergrund begangen werden, füllen sie eine mediale Lücke.“
Eine mediale Lücke schließt auch der Sonderpreis „Künstliche Intelligenz“, der erneut in diesem Jahr – von einer eigenen Fachjury – vergeben wurde. Er ging an das Scrollytelling-Format „Eternal You“ – ein „außergewöhnliches, vielschichtiges Webangebot“, das weit mehr sei als ein weiterer Beitrag über die Risiken und Chancen Künstlicher Intelligenz. Es entfalte eine enorme „publizistische Tiefe und emotionale Wucht“, so die Fachjury, und wird verantwortet von Moritz Riesewieck und Hans Block, die sich ausdrücklich bei der Jury bedankten. Den Preis allerdings ließen sie stehen – verknüpft mit dem Wunsch, erst weitere Diskurse führen zu wollen. Da war er wieder, der politische Sound dieses Abends.
Weiter ging es in der – traditionell stark besetzten – Kategorie WISSEN & BILDUNG mit dem TikTok-Kanal „Know & Grow“, der sich mit dem Thema Lifestylemedizin (SWR für funk) auseinandersetzt: „Mit seinen aufwändig produzierten Videos erreicht er durch unterhaltsames und gut recherchiertes ‚Debunking‘ zu Fitness- und Gesundheitsmythen eine Zielgruppe, an die klassische Medien kaum noch herankommen.“ Eine weitere Auszeichnung in dieser Kategorie ging an das inklusive Angebot die „Barrierebrecher“, welche die Möglichkeiten des Internets nutzen, „um hautnahe und aufrüttelnde Einblicke in den Alltag von Menschen mit verschiedensten Behinderungen zu geben.“ Finanziert und möglich gemacht wird es vom Dominikus-Ringeisen-Werk, einer kirchlichen Stiftung. Der dritte Preis in dieser Kategorie ging an den Instagram-Kanal „Gynaekollege“ des Arztes und Journalisten Mertcan Usluer. Er bietet Aufklärung über den menschlichen Körper, insbesondere zum Thema „gynäkologische Gesundheit“. Hier lobt die Jury: „Ohne großes redaktionelles Team bildet er mit seinem Instagram-Kanal auf sensible Art und mit klarer Sprache ein Gegengewicht zu all dem Halbwissen und den Falschinformationen, die zu dem Thema kursieren.“
Den Abschluss bei den Jurypreisen des Grimme Online Award machte diesmal die Kategorie INFORMATION, wo es nur einen Preisträger gab: Gut zugänglich und mit viel Liebe zum Detail nehme Sabrina Gehder in ihrem Podcast „Parlamentsrevue“ ihre Hörer*innen mit in die Plenardebatten des Bundestags und wird hierfür ausgezeichnet. Die Jury weiter: „Mit großem individuellem Engagement schafft sie es, die Parlamentsarbeit anschaulich darzustellen und Informationen zugänglich zu vermitteln“, alles ohne große Redaktion.
Beim Publikumsvoting konnte sich das Zentrum für politische Schönheit durchsetzen – mit der Aktion "AfD-Verbot".
Anlässlich der Verleihung ist auch wieder eine Preispublikation in der grimme-Reihe erschienen, die neben den Gewinner*innen und den Nominierten des #GOA25, einen Magazinteil enthält, der sich mit dem Thema „Digitale Souveränität“ auseinandersetzt. Autor*innen waren unter anderem Dr. Yvette Gerner, Intendantin von Radio Bremen, Dr. Deborah Schnabel, Direktorin der Bildungsstätte Anne Frank, Markus Beckedahl, Gründer und Chefredakteur des Blogs Netzpolitik.org sowie Mit-Initiator der Konferenz re:publica, und andere mehr. Natürlich setzt sich auch ein Beitrag mit 25 Jahren Grimme Online Award auseinander, den der „Erfinder“ und langjährige Leiter Friedrich Hagedorn und seine Nachfolgerin Vera Lisakowski beigesteuert haben.
Weitere Informationen zum Wettbewerb und zur Zusammensetzung der Jurys finden sich im GOAblog und in den sozialen Netzwerken unter:
• goa-blog.de/
• instagram.com/grimme_institut/
• threads.net/@grimme_institut
• linkedin.com/company/grimmeinstitut
Auch in diesem Jahr wurde der Wettbewerb und die Preisverleihung zum Grimme Online Award von verschiedenen Partnern unterstützt, für die finanzielle Basis des Preises sorgte das Land Nordrhein-Westfalen. Unterstützt wurde die Preisverleihung von der RAG-Stiftung und der Stiftung Zollverein. Fernsehzimmer produzierte die Einspieler bei der Preisverleihung.